Mit der Welt verbunden
Veröffentlicht von sici in Geschichten · Samstag 04 Mär 2023 · 5:00
... als Telefonistin!
Eigentlich blieb ich nicht lange bei der Auskunft. Ich wechselte 1967 als Telefonistin zum Warenhaus Globus. Damals war der Arbeitsplatz noch im Provisorium bei der Bahnhofbrücke. Beim Umzug an die Bahnhofstrasse war ich auch dabei. Ich blieb jedoch nur ein Jahr und ging wieder zurück an die Brandschenkestrasse. Kurz darauf wurde ich Ersatzaufsicht. Es gab Tage, da ich die Arbeit einer Aufsicht erledigt. Aufsicht wurde die Telefonistin erst nach einer Prüfung. Nun, in dieser Zeit liebäugelte ich jedoch mit dem Fernamt. Ich unterstützte eine Oberaufsicht beim Papierkram, wie den Schichteinsatz für die Telefonistinnen zu verrechnen. Immer wieder fragte ich sie, ob ich nicht ins Fernamt wechseln konnte. Viele meiner Kolleginnen arbeiteten dort. Im Herbst 1971 hiess es, ich darf wechseln. Einen Monat lernte mich eine Instruktorin die Arbeit im Fernamt.
Ich lernte die verschiedenen Gesprächsarten vom einfachen Gespräch über die dringenden Gespräche, Blitz- und Notgespräche. Welche Gespräche in welchen Ländern zugelassen sind wie das AZ- oder R-Gespräch (der Angerufenen zahlt) oder den Herbeiruf. Später kamen noch die Kreditkartengespräche dazu. Natürlich lernte ich auch die verschiedenen Verzeichnisse kennen. Wie die Auslandszentrale angewählt wird. In welchen Ländern verwende ich die französische oder englische Sprache.
An einem Platz stellten wir bis zu sechs Verbindungen her. Der Platz auf dem rechten Bild steht bei mir zuhause. Beim Wechsel in die Computerzeit durften wir die Vermittlungstische erwerben.


Auch dieser Dienst war sehr abwechslungsreich. Im Schnelldienst notierten wir die Gesprächsanfragen auf ein Ticket und sendeten dieses per Rohrpost an den entsprechenden Warteplatz. Am Warteplatz wurden die Gespräche chronologisch eingereiht. Einfache Verbindungen stellten wir auch im Schnelldienst her.
Die Warteplätze waren beliebt. In der hintersten Reihe waren die Italienerplätze mit Bolzano - boz, Milano - mil, Torino - tor, Genua - gea, Verona - ver, Venedig - ven, Trieste - tri, Bologna - bol, Firenze - fir, Roma - rom, Napoli - nap, Bari - bar, Catania - cat, Palermo - pal. Ob ich alle noch in Erinnerung habe? Mit Italien gab es noch die Herbeirufe. Viele italienische Gastarbeiter wollten ihre Lieben zuhause kontaktieren. In Zürich gab es die öffentliche Sprechstelle im Hauptbahnhof. Diese Kolleginnen bestellten die Verbindungen über uns. Wir übermittelten die Gesprächsanfragen bei der betreffenden italienischen Zentrale.
Auch an der Füsslistrasse, wie am Flughafen Zürich (Ankunft, Abflug, Transit) standen öffentliche bediente Sprechstellen zur Verfügung.
Im Nachtdienst war zu einem späteren Zeitpunkt nur noch eine Telefonistin von zwei bis fünf Uhr. Es gab einen teilweisen Nachtdienst von sechs bis ein Uhr, später noch von halb sieben bis halb zwei und sieben bis zwei Uhr, eine ganze Woche. Als ich die Lehre in der Auskunft begann, schliefen die Telefonistinnen im Haus. Wir wurden für das Übernachten bezahlt, jetzt muss man im Motel One bezahlen. ;-)
Der Übersee wechselte von Bern nach Zürich. An diesen Plätzen durften nur Telefonistinnen mit englischen Sprachkenntnissen arbeiten.
Auch die internationale Auskunft wurde in diesen Raum angesiedelt. Wir besassen Telefonverzeichnisse von rund um die Welt.

Fand die Telefonistin eine Nummer nicht, oder das Buch konnte nicht gelesen werden (griechisch, bulgarisch, serbisch etc.) fragte sie im Ausland nach.
Als ich im Fernamt anfing und alleine arbeitete, musste ich eine Voranmeldung nach Griechenland vermitteln. Ich fragte auf Französisch nach der verlangten Person. Als Antwort bekam ich nur ein Nai, Nai. Die falsche Person und nun? Ich rief nochmals an und wieder das Nai, Nai. Als ich die Verbindung unterbrach, klärte mich eine Kollegin auf. Nai heisst auf Griechisch JA. Das sass!
1973 strahlte das Schweizer Fernsehen einen Russischkurs aus. Ich war im Mutterschaftsurlaub und konnte die Sendungen verfolgen. Die kyrillischen Zeichen faszinierten mich. So lernte ich ein wenig Russisch. Das nützte mir auf der Arbeit. Ein Abonnent sandte mir ein Vorwahlenverzeichnis der ehemaligen Sowjetunion. In einem Excelsheet erfasste ich die Daten und transkribierte sie in die lateinische Schrift. So entstand ein Verzeichnis mit dem Ort, Verwaltungsgebiet, Zentrale, Auskunftsdienst, Zeitunterschied. Wenn Moskau oder Leningrad (heute St. Petersburg) nicht antworteten, riefen wir die entsprechende Zentrale direkt an und kamen so rasch zu einer Verbindung.
Einmal hatte ich eine Verbindung nach Rumänien, auch mit Voranmeldung. Ich versuchte es in Französisch, Englisch und Italienisch. Keine Chance! Da rief ich nochmals an und sagte auf Russische: Bitte den Genossen X! Siehe da, keine zwei Sekunden und die Person war am Telefon. Weitere Müsterchen auf unserem Blog auf Tel-Treff.
Ich liebe Fremdsprachen. Hatte eine Kollegin sprachliche Probleme mit einem Abonnent, übernahm ich das Gespräch. Telefonistinnen, die Italienisch und Englisch sprachen durften einen Spanischsprachkurs im Hause besuchen. Ich konnte nur gracias und adios. Jetzt kann ich mich, mit Italienisch gemischt, auf Spanisch unterhalten. Viele Menschen haben Angst vor Fehlern. Ich jedoch spreche drauflos, ob mit Fehler, das ist mir egal. Wichtig, dass mich mein Gesprächspartner versteht. In den 80er-Jahren befasste ich mit der japanischen Sprache. Einmal musste eine Kollegin ein AZ-Gespräch übermitteln und Tokyo antwortete nicht. Sie rief mich und ich versucht das Gespräch zu übermitteln, was mir auch gelang, samt Verbeugungen am Telefon. Meine Kollegin schmunzelte. Dir fehlen die Stäbchen im Haar und der Kimono.
Auf alle Fälle vermisse ich die interessanten Jahre im Vermittlungsdienst. Ich lernte viel. Leider wurden die manuellen Dienste in Zürich aufgehoben. Meine Vorgesetzten empfahlen mir zum neuen Internetprovider der Swisscom "The Blue Window" zu wechseln. Das tat ich im Herbst 1995. Mein letzter Tag bei der Swisscom.

Mein zweiter Arbeitsplatz im Fernamt/Vermittlung
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