Endlich ist er da...

Veröffentlicht von sici in Geschichten · Freitag 18 Jul 2008

Da ich Abschiede hasse, versuchte ich, die Menschen mit einem Mail anzusprechen, die mich in meinem langen Berufsleben begleitet haben. Sicher erreichte ich nicht alle. Vielleicht fällt ihnen ja mein Blog ins Auge. ;-)

Ich freue mich, dass Du den Link im Mail angeklickt hast oder einfach so meinen Blog liest. Statt ein langes Mail zu schreiben, fasste ich meine Eindrücke im Blog zusammen. Dir möchte ich auch an dieser Stelle nochmals danken, egal ob unsere gemeinsame Tätigkeit und Zusammenkunft nur einen Augenblick gedauert hat oder einige Jahre. Es war schön, Dich kennen gelernt zu haben.

Die Lehre als PTT-Telefonistin begann ich, als Du vermutlich noch nicht geplant warst, nämlich am 1. November 1965. Meinen Berufswunsch "Telefonistin" erfüllte ich mir in der Tätigkeit beim Auskunftsdienst Telefonnummer 11. Das damalige "Fräulein Nummer Elfi" gab nicht nur Telefonnummern bekannt, nein, die Palette der Auskünfte war breit gefächert. Sie beantwortete Anfragen wie "wann fährt die nächste Bahn", "welche Apotheke hat Notfalldienst", "was läuft heute im Kino X oder Theater Y" und noch einiges mehr. Die Anzahl der Telefonnummern, die wir auswendig wussten - beinahe unerschöpflich.

Anfangs der 70er Jahre wechselte ich zum internationalen Vermittlungsdienst (Fernamt). Die Anzahl der Verbindungen in wie viele Länder, die ich vermittelte, habe ich nicht gezählt. Viele Gespräche mussten noch über die Telefonistin vermittelt werden. Verbindungen für bekannte Zeitgenossen wie Sportler (sogar Weltmeister), Künstler und andere Stars und Sternchen durften wir herstellen. Menschen glücklich machen rund um die Welt. Damals waren die Überseegespräche teuer. Fragen der Kunden wie "erreichen Sie den Satelliten nicht?" waren gang und gäbe. Doch erlebten wir auch Trauriges. Viele Kolleginnen, wie ich, hatten Verwandte in Italien. Deshalb trafen uns die schweren Erdbeben in Süditalien (Kampanien/Basilicata 1980) und Friaul (1976) doppelt. Auch die Verbindungen während des Bürgerkrieges im Libanon waren nicht ohne. Während wir auf den Gesprächspartner warteten, hörten wir im Hintergrund Maschinengewehrsalven und einzelne Schüsse.

Doch auch Schmunzelndes erheiterte den Tag. Bei einer Verbindung in ein unterentwickeltes Land in Afrika ertönte eine bekannte elektronische Melodie: "Ein Männlein steht im Walde..."

Oder: ein Kunde bestellte eine Voranmeldung (Gespräch mit einer bestimmten Person) nach Rumänien. Amtssprache war Französisch. Ich kontaktierte mehrmals die Nummer, aber ohne Erfolg. Die gewünschte Person kam nicht an den Apparat. Was nun? Ich rief nochmals an und verlangte in russischer Sprache den Towaritsch XY (Genosse) - keine zwei Sekunden vergingen und die richtige Person war am Apparat. Das geschah zur Zeit des Eisernen Vorhangs. Oder, die Telefonistin aus Ostberlin meldete sich immer mit "Berlin" und war sauer, wenn sie gefragt wurde: "Ost oder West?"

Impressionen aus dem Auskunfts- und Vermittlungsdienst

Doch die "Stöpsel"-Tage waren gezählt. Anfang 1990 lösten Computer die Vermittlerschränke ab. Die Automatisierung der Verbindungen war im Gange und die digitale Welt hielt Einzug. Das Internet für Normalsterbliche begann sich zu entwickeln.

1995 hatte ich das Glück, bei der Geburt von "the blue window" dabei zu sein. Im November 1995 ging das blaue Fenster zum ersten Mal online. Im Mai 1996 verliess ich die Firma und folgte meiner grossen "CompuServe"-Liebe ins Ruhrgebiet. ;-) Ich arbeitete während vierzehn Monaten in Düsseldorf. An Weihnachten 1996 heirateten wir und im August 1997 begann ich wieder bei "the blue window".

Als ich dem blauen Fenster "goodbye" sagte, befand sich der Firmensitz noch an der Kreuzstrasse 54. Bei meiner Rückkehr war "the blue window" bereits auf mehrere Standorte verteilt. Meinen alten neuen Arbeitsplatz fand ich in einem Gebäude beim Stadelhofen wieder.

Im "Customer Care" beantwortete ich erneut eMails. Das damalige Kundencenter war klein, aber fein. Eine grosse Familie, die sich einsetzte. Der nächste grosse Umzug war in den Bluewin Tower am Escher-Wyss-Platz. Doch war es nicht der letzte. Im Zuge der Reorganisationen durfte ich in vier verschiedenen Stockwerken (2., 3., 4., 7.) arbeiten.

Fotoauschnitt mit freundlicher Genehmigung des Fotografen Kaspar Klink

(Vielen Dank Kaspar!)

Neuer CEO, Tochter geht zur Mutter zurück und und und....! Im Dezember 2004 verliess ich den Kundendienst und stiess zur IT.

In all diesen Jahren wechselten die Vorgesetzten, Arbeitskollegen, die OE-Abkürzungen, doch die Tätigkeit blieb immer faszinierend.

Jetzt sind dies alles Erinnerungen an ein abwechslungs- und erfahrungsreiches Berufsleben. Die Kollegen müssen sich keine Sorgen mehr machen, dass ich um Mitternacht oder im Urlaub noch arbeite. Die Updates können problemlos durchgeführt werden und kein Notify in der Geisterstunde muss mich erinnern, den Compi doch endlich runterzufahren. ;-)

Vieles steht an. Zuerst meine Familie, Enkel und natürlich meine grosse Liebe. Für die Neugierigen - ja, wir sind immer noch verheiratet und dies seit bald zwölf Jahren. Das Internet hat auch seine positiven Seiten. ;-)

Mehr Zeit ins Haus und den Garten investieren (mein Vater wird dies begrüssen). Meine Homepage auf Vordermann bringen. Mehr bloggen! Natürlich die Sprachen wieder auffrischen, vor allem das Japanische, wie auch die Kalligraphie. Nicht zu vergessen mein Traum, erneut nach Japan zu fliegen. Ausserdem schöne Motive fotografieren. Auch trage ich mich mit dem Gedanken, freiwillige Arbeit z.B. in einem Altersheim zu verrichten. Wer weiss, vielleicht gehts noch an die Seniorenuniversität. Du siehst - an Arbeit und Vorsätzen mangelt es nicht. Ich freue mich riesig auf diesen neuen Lebensabschnitt.

Ich wünsche Dir, dass Du, wenn Du in den Ruhestand gehen darfst, oder ihn bereits geniesst, ebenfalls auf ein spannendes Berufsleben zurückblicken kannst wie ich. Bis dahin, weiterhin viel Glück, Erfolg und gute Gesundheit.

Gestern Heute "Mona-Lisa"

(Insider)

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